MEDIZINISCHES VERSORGUNGSZENTRUM
BETHESDA KLINIK (GERIATRISCHE REHABILITATION)
Interview mit dem Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Kinder spielten im Infektionsgeschehen seit Beginn der Corona-Pandemie lange Zeit kaum eine Rolle. Vor allem mit der Omikron-Variante änderte sich das, viele Kinder und Jugendliche haben inzwischen eine Infektion durchgemacht, zumeist mit mildem Verlauf. Seit einigen Wochen werden aber auch immer wieder kleine Patienten mit Corona im Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum behandelt. Woran sie zumeist leiden, wie die Kinderklinik auf diese Patienten eingestellt ist und warum sie in der Regel nach wenigen Tagen wieder nach Hause können, darüber gibt Dr. med. Sven Armbrust, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Auskunft.
Für die erwachsenen Corona-Patienten hat das Klinikum spezielle Isolierstationen eingerichtet, nur wenige positiv getestete Patienten – wie Schwangere - werden auf anderen Stationen behandelt. Wie hat sich die Kinderklinik darauf eingestellt.
Wir sind sowohl für die einfachen Verläufe als auch intensivmedizinisch – mit unserer Kinderintensivstation – bestens vorbereitet. Dass an Corona erkrankte Kinder eine Intensivtherapie brauchen, kommt sehr selten vor, die meisten werden auf einer normalen Kinderstation behandelt, die wir geteilt haben, um den Hygienemaßnahmen Rechnung zu tragen. Das erfordert etwas mehr Organisation, aber der Umgang mit Infektionskrankheiten ist in einer Kinderklinik Tagesgeschäft, gerade im Bereich der Säuglinge und Kleinkinder. Unsere Schwestern haben viel Erfahrung damit.
Sind denn vor allem Säuglinge und Kleinkinder betroffen?
Ja, überwiegend sind die Patienten unter zwei Jahre alt und viele von ihnen im Säuglingsalter.
Welche Symptome haben die Kinder in der Regel?
Sie kommen mit hohem Fieber, in reduziertem Allgemeinzustand und trinken wenig. Schon mit einem Grad Temperaturanstieg verlieren kleine Kinder große Mengen Flüssigkeit, das führt zu einem weiteren Fieberanstieg und sie verlieren noch mehr Flüssigkeit und sind schließlich zu schwach zum Trinken. Deshalb führen wir den Kindern Flüssigkeit zu, behandeln das Fieber mit Medikamenten, dadurch kommt der Kreislauf in Schwung, das Fieber sinkt und sie trinken wieder. Begleitsymptome, die zum Beispiel mit Antibiotika behandelt werden müssen, sind selten. In der Regel können die Kinder nach wenigen Tagen wieder nach Hause.
Lange Zeit waren Kinder oder Jugendliche mit Corona im Klinikum die absolute Ausnahme, jetzt haben wir sie fast ständig als Patienten. Müssen wir uns Sorgen machen?
Nein, COVID-19 ist nach wie vor kein relevantes Problem bei Kindern und Jugendlichen, auch wenn die Hospitalisierung in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen hat. Von Anfang 2020 bis Ende 2021 haben wir lediglich eine Handvoll Kinder mit Corona stationär behandelt. Das deckte sich mit dem bundesweiten Vergleich im Coronaregister der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie. Danach wurden bis Anfang 2022 deutschlandweit 2500 Kinder registriert, die wegen Corona ins Krankenhaus mussten - auch hier vor allem die Kleinen. Jetzt sind die Zahlen deutlich höher – in unserem Haus haben wir seit Jahresbeginn bis Ende Februar knapp 40 Kinder und Jugendliche mit Corona behandelt. Dieser Anstieg zeigt sich auch bundesweit, das Register zählt seit Beginn der Pandemie bis Ende Februar schon 3800 Kinder und Jugendliche, prozentual aber immer noch eine kleine Zahl. Der Anteil der intensivtherapiepflichtigen Kinder ist gesunken, über einen langen Zeitraum lag er bei 5 Prozent, in den vergangenen Wochen sank er auf 4 Prozent.
Kann man diese Entwicklung mit den Virus-Varianten erklären?
Ja, Alpha und Beta waren kein Problem für die Kinder, zu der Zeit haben sie sich auch kaum untereinander angesteckt. Mit Delta veränderte sich die Situation, vor allem Jugendliche steckten sich stärker untereinander an, aber es gab noch wenig Übertragung von Kindern auf Erwachsene. Omikron hat das Bild sehr gewandelt, zeigt sich wie eine Influenza, Kinder infizieren sich untereinander und stecken Erwachsene an. Diese Entwicklung hat man schon in England gesehen, wo in Kindergärten und Schulen fast alle Kinder einmal infiziert waren. Das führte aber nicht zu einer stark vermehrten Hospitalisierung.
Inzwischen sind einige Medikamente zugelassen, um COVID-19 – vor allem im frühen Stadium - zu behandeln. Gilt das auch für Kinder?
Nein, für Kinder gibt es keine zugelassenen Medikamente und nur wenige Daten zur Anwendung. Ob ein Arzneimittel eingesetzt wird, muss deshalb im Einzelfall abgewogen werden. Wir haben nur einmal ein Virostatikum verabreicht bei einem Kind, das neben Corona auch eine entzündliche Erkrankung hatte.
Im Zusammenhang mit Corona bei Kindern ist in jüngster Zeit von einem Anstieg von Fällen des sogenannten PIMS-Syndroms – einer Entzündungsreaktion des Körpers - berichtet worden. Spielt das in unserem Krankenhaus auch eine Rolle?
Beim PIMS handelt es sich um eine seltene autoimmunassoziierte Entzündungsreaktion verschiedener Organe, die im Zusammenhang mit oder nach einer Coronoa-Infektion bei Kindern und Jugendlichen auftreten kann. Ein ähnliches Syndrom kennen wir seit Jahrzehnten bei kleineren Kindern, hier nennt man es Kawasaki-Syndrom. Bestimmte Risikofaktoren (z.B. Übergewicht) scheinen hierfür zu prädisponieren. Die Therapie ist entsprechend antientzündlich und abhängig von den betroffenen Organen.
Auf der Kinderintensivmedizin des Dietrich-Bonhoeffer-Klinikums musste bisher ein elfjähriger Junge wegen eines PIMS behandelt werden. Er konnte nach erfolgreicher Therapie nach einer Woche die Klinik wieder verlassen. Ebenso zwei weitere Kinder, die aber nicht intensivpflichtig waren.
Sie sagten, schwere Verläufe von Corona sind bei Kindern selten. Wie sieht es denn bei Kindern mit Vorerkrankungen aus?
Anfangs hatte man große Sorgen, dass Kinder mit Herz- oder Lungenerkrankungen besonders gefährdet sind. Die Erfahrungen der Kinderärzte haben aber gezeigt, dass sie kein höheres Risiko für schwerere Verläufe haben, Kinder mit neuromuskulären Erkrankungen – wie beispielsweise Muskelschwund – aber schon. Dass es im Einzelfall schwere Verläufe bei Kindern gibt, ist unbenommen, aber es ist die Ausnahme. Kindern hilft, dass sie im Gegensatz zu Erwachsenen ein unspezifisches Immunsystem haben, welches zumeist Erfahrung mit Coronaviren hat. Die ACE2-Rezeptoren, an denen SARS-CoV-2 andockt, sind bei ihnen auch anders aufgestellt.
Bei Erwachsenen kann es vorkommen, dass sie nach einer überstandenen Corona-Infektion gesundheitliche Langzeitfolgen haben. Wie sieht es bei Kindern mit „Long COVID“ aus?
Dazu gibt es keine Daten und keine Hinweise auf ein relevantes Problem. Dass die komplette Genesung im Einzelfall etwas länger dauern kann, kennen wir auch von anderen Viruskrankheiten.
Chefarzt Dr. med. Sven Armbrust